Filme sind ja normalerweise so gar nicht mein Gebiet. Klar, ich gucke sie gerne und hab auch schon fast alles gesehen was auch nur entfernt das Adjektiv „sehenswert“ verdient hätte, aber normalerweise setze ich mich nicht wirklich lange mit Ihnen auseinander. Interstellar wäre wohl der letzte Film bei dem ich plötzlich das Verlangen gespürt habe mich mit der Materie des Streifens zu beschäftigen um zu verstehen was für eine geile Scheiße ich da grade gesehen habe. Tage habe ich danach in Foren verbracht um Theorien und Erklärungen zu lesen bis mein Kopf gedröhnt hat. Für mich das größte Kompliment, was ich einem Film machen kann. Und am Samstag kam nun also „Alles steht Kopf“ komplett aus dem Nichts daher und lässt mich nicht mehr los. Allein wie es dazu kam, dass ich da im Kino saß ist mir die Zeit diesen Artikel zu schreiben wert. Weiter gehts nach dem Break.
Was mach ich hier?
WhatsApp ist schon lange ein fester Bestandteil der Kommunikation in unserem Leben. Vermutlich kennt ihr es also auch, dass man im Freundeskreis üblicherweise eine oder mehrere WhatsApp-Gruppen hat um sich untereinander für die Abendplanung abzusprechen. Samstag ist unser Abend. Samstag ist der Abend, an dem wir bei all unseren Jobs und Studien die wir betreiben meist alle Zeit haben und uns treffen. In meinem Falle hat das Tradition und ist mir extrem wichtig um mit meinen besten Freunden in Kontakt zu bleiben. Von daher kommt es mir nicht darauf an WAS mir machen, sondern DAS wir etwas machen. Einfach der Gemeinschaft willen.
Fragt mich also nicht wer den Vorschlag erbracht hat, aber plötzlich stand der Vorschlag im Raum um 22:30 Uhr in die Spätvorstellung dieses Films zu gehen. Ich habe jeden Pixar Film gesehen und die meisten davon auch für gut befunden (wobei die Qualität die letzten Jahre gefühlt schon abgenommen hat), aber „Alles steht Kopf“ hatte ich bis dato nicht wirklich auf dem Schirm gehabt und nicht Mal einen Trailer gesehen. Naja was solls. Aus den zuvor genannten Gründen waren wir am Ende also mit 9 Leuten (7 Kerle, 2 Ladies) im fast schon leeren Kinosaal. Nicht der Ort wo man Menschen in unserem Alter Samstagabends vermuten würde, aber wir waren schon immer ein wenig anders als das Klientel, das ohne Erinnerung in fremden Betten aufwacht und keine Hose anhat. Dann lieber mit unbequemen 3D Brillen im Kino, weil der Film um diese Zeit leider nur noch in 3D lief und deswegen 12€ gekostet hat. Ganz ehrlich, 3D könnt ihr euch gerne sparen, aber von diesen 12€ war der Film für mich jeden Cent wert. Und warum das so ist, dazu komme ich jetzt auch endlich Mal. Also gleich.
Anfängliche Irritation
Beinahe vergessen hatte ich tatsächlich, die alte Pixar Tradition des Kurzfilms vor dem eigentlich Film. Denn als ein singender Vulkan die Soundanlage des Kinos erhellte, war nicht nur ich kurz verwirrt. „Wo sind wir hier gelandet?“ sowas ähnliches muss uns allen wohl durch den Kopf geschossen sein. Objekte zum Leben erwecken kann Pixar zweifelsfrei wie kein zweites Unternehmen und auch, wenn ich wohl nicht ganz zugeben wollte: Die Geschichte zweier Vulkan deren Gesang sie dazu brachte sich zu verlieben war wunderschön und genau der richtige Einstieg für den Hauptfilm. Lediglich die Schlussphrase „I Lava You“ bzw. „Ich Lava dich“ kam im deutschen nicht ganz so gut rüber wie in der Originalvertonung.
Vorhang auf für den eigentlichen Film und damit auch ein Hinweis auf mögliche Spoiler. Ich werde versuchen so wenig wie möglich zur Story und deren Ausgang zu verraten, aber ganz vermeiden lassen wird sich das auf Grund einiger Punkte die ich ansprechen möchte nicht. „Alles steht Kopf“ erzählt im Grunde die Geschichte der 11-Jährigen Riley, wobei die eigentlichen Hauptakteure die Emotionen Freude, Kummer, Angst, Ekel und Wut in ihrem Kopf sind. Von der Sekunde ihrere Geburt an ist es vor allem Freude, die Riley eine glückliche Kindheit beschert und viele schöne Erinnerungen. Rein optisch war es wohl die Art und Weise wie Pixar die verschiedenen Bestandteile unseres Gehirns hier dargestellt hat, die mich zu begeistern wusste. Kleine Kugeln in verschiedenen Farben, die Erinnerungen (sowohl positive als auch negative) speicher. Erinnerungen die in einem schier endlosen Lager gespeichert, oder bei Bedarf wieder abgespielt, anderseits aber auch aussortiert werden können. Dann hätten wir da noch die Kernerinnerungen, wichtige Erinnerungen die Rileys Persönlichkeit beeinflussen und ihren Charakter formen. Sie liebt ihre Familie, sie liebt Eishockey, doch genau diese Eigenschaften beginnen im Verlauf des Films zu bröckeln.
Ungünstige Umstände befördern Freude und Kummer aus der Zentrale, sodass Riley schon fast in einer kleinen Depression festzustecken scheint. Denn Ekel, Angst und Wut sind keine Emotionen denen man auf Dauer die Kontrolle überlassen möchte. Was dann folgt ist im wahrsten Sinne eine Reise durch den Kopf eines kleinen Mädchens. Vielleicht klingt es unfreiwillig komisch, wenn ich das sage, aber ich konnte mich gut mit dem Charakter von Riley identifizieren. Jüngere Zuschauer sehen hier in erster Linie einen Film über Freundschaft, der an vielen Stellen auch für Lacher sorgt. Wie zum Beispiel entstehen Ohrwürmer? Der Film stellt es auf verspielte Weise dar ohne dabei in seiner Gesamtheit jemals zu verwirren oder seine Ernsthaftigkeit zu verlieren.
Wie bereits erwähnt möchte ich nicht genau erklären was denn nun in Rileys Leben passiert, aber die Situation ist so greifbar und die Charaktere allesamt so menschlich, dass es für mich ab einem gewissen Punkt schwer war den Film zu schauen. Einfach weil Tränen leider verhindern, dass man unter der 3D-Brille noch etwas sehen kann. Es geht um Verluste, um Angst vor neuen Herausforderungen vor die uns das Leben immer wieder stellt und darum, dass man manche Dinge auch hinter sich lassen muss. Bing Bong, der imaginäre Freund von Riley, kann davon ein Lied singen.
Eine Message zum Nachdenken
Der Twist am Ende der Geschichte ist eine Lektion fürs Leben. Keine die ich für übertrieben oder unwahr halte, aber eine Sache die ich noch nie wirklich so betrachtet habe: Es kommt immer auf die Perspektive an. Versucht selbst ein Mal an die Momente in eurem Leben zu denken an denen ihr am glücklichsten gewesen seid und denkt eine Ecke weiter. Oder eher zurück. Was war vor diesen Momenten, wie ist es zu Ihnen gekommen? Oft ist es Kummer, der uns die schönen Dinge im Leben erst möglich macht. Ein Punkt den Freude am Ende der Geschichte verstanden hat, als nur noch Kummer diejenige ist, welche die Katastrophe abwenden kann.
Wir Menschen wünschen uns immer glücklich zu sein. Wo wäre das Problem, wenn man nie wieder traurig wäre und aller Kummer wie fort geblasen wäre? Ich denke, diese Frage könnten wir uns in einem solchen Falle gar nicht stellen. Kummer lässt uns erst das Glück und die Freude in unserem Leben wertschätzen und Kummer macht uns zu dem was wir sind. Wir lernen aus ihm und aus Erfahrung sage ich, dass es wichtig ist, dass wir ihn auch nicht vergessen. Ich für meinen Teil kann kaum den Release des Films auf Blu-Ray erwarten. Vielleicht mögt ihr denken, dass ich mir zu sehr den Kopf über „Alles steht Kopf“ zerbrochen habe, aber allein der Titel ist für mich passend gewählt. Ich stehe Kopf. Für mich das bisher größte Meisterwerk von Pixar und alles andere als ein reiner Film für Kinder. Wer über einen Funken Selbstreflexion verfügt, der wird simultan zum Filmgeschehen auch ein Stück weit in die eigene Seele und die eigene Vergangenheit blicken. Für alle Eltern da draußen ist es außerdem eine kleine Chance eure Kinder besser zu verstehen. Deswegen liebe ich Filme. Sie sind vielleicht nicht an unsere Realität gebunden, aber genau deswegen umso besser darin einzelne Aspekte unseres Lebens aufzugreifen und uns vor Augen zu führen. Danke Pixar. Danke Pete Docter.